Ich habe es gewagt. Blind Date Deluxe.
Nachdem alle mir von ihren netten Tinder Dates erzählt haben, dachte ich, gehe ich den nächsten Schritt.
Fehler. Ich bin nicht Tinder geeignet. Eindeutig. Ich bin mir zu 100% sicher, dass man mich in einem Club, Cafe oder im Supermarkt auch nicht wegen meiner Persönlichkeit ansprechen würde, dennoch würde man nach den ersten paar Sätzen sicher merken, ob man interessiert ist oder nicht. Beziehungsweise würde sich schneller herausstellen, ob man das Gleiche will.
Gut, die meisten würden jetzt sagen, was erwartest du dir –ist ja Tinder.
Eigentlich erwartete ich mir auch nicht viel. Ein bisschen Ablenkung. Ein bisschen Bier und ein nettes Gespräch. Wiedersehen muss nicht sein. Na wie erwartet kam es anders. Mein Tinder Date sah auf den Fotos in meinen Augen gut aus. Haha, sonst wäre es ja kein Herz geworden. Und in Echt noch besser.
Er war nett. Der Abend war nett. Und ich sage immer nett, wenn ich etwas gut finde. Nett ist für mich nicht die kleine Schwester von scheiße, sondern etwas positives. Zwar ausbaufähig, aber gut.
Ok, er war schon angeheitert als wir uns trafen, aber es war auch ein spontanes „magst du auf die Party schauen“– Treffen. Also drückte ich ein Auge zu und trank mein Bier.
Da stand ich nun, Bier in der Hand, Tinder Date neben mir, inmitten einer Hipster Party, in einer Bar in einer nicht auszusprechenden Straße mitten in Amsterdam. Nicht nur ein Tinder Date, was eine neue Erfahrung war, sondern auch mein erstes Mal am Abend weggehen in Amsterdam.
Leichte Überforderung auf meiner Seite, seine wiederholdenen Worte „don’t see it so awkward“ und eine Fotografin, die das Ganze für ein Gratis Magazin dessen Name nicht genannt werden soll, aber jenes bekannt ist für viel nackte Haut und seltsame Reportagen, festhält. Zu dem Zeitpunkt wollte ich nur mehr verschwinden. Mir war unklar, was er von mir wollte. War es ein typisches Tinder Date? Er meint, er findet das System nicht gut. Ich auch nicht und dennoch sitzen wir hier.
Oh mein Gott, er will auch darüber schreiben. Ich will kein Versuchskaninchen sein. Ok, unfair – er ist ja auch irgendwie meins.
Wir wechseln die Bar. Bloemenbar. Ach, ich liebs. Die Bar ist mein Traum. Und endlich finde ich das Date nicht mehr „weird“, es fühlt sich nun mehr, als als würde ich den Abend mit einem Bekannten verbringen. Wir lachen, er stänkert (dt. pöbelt) unsere Nachbarn an, wir verlassen die Bar bevor wir in eine Schlägerei geraten, er nimmt meine Hand und ich fühle mich erstmals nach langer Zeit wieder glücklich. Liegt vielleicht auch am zweiten Bier. Aber ist mir egal.
Und erstaunliches passiert. Ich werde nach einem weiteren Date gefragt.
Tja, leider blieb es auch nur bei „gefragt“.
Ein bisschen bin ich vielleicht selber Schuld. Wenn ich denke etwas läuft gut oder wenn ich jemanden nur ein bisschen sympatisch finde, endet es meistens gleich: Zuhause oder im Büro sitzend und das Handy anstarrend.
Jetzt bin ich zu Hause und denke darüber nach, was ich mir denn wirklich erwartet habe?! Dass eine App, welche für schnelle belanglose Begegungen gedacht ist, zu irgendwas mehr führen wird?
Nein, eigentlich sind es die banalsten Gründe, weshalb ich mich auf Tinder und ein Date eingelassen habe.
Die Kombination aus Einsamkeit und Aufmerksamkeitsdefizit.
Ich komme aus der Arbeit und hier ist niemand. Keiner mit dem ich spontan was machen kann, wie in Wien oder in Berlin. Meine Kommunikation zu den Menschen, die mich kennen, findet auf Whats App und Facebook statt. Tinder ist einfach und man kommt schnell in Kontakt mit anderen Menschen. Das es leichter ist Männer in einer neuen Stadt kennen zu lernen als Frauen, ist einfach ein Fakt. War in Berlin auch so. Wodurch lernt man Frauen kennen? Liebeskummer. Sagst du einmal in eine Runde, mir geht es scheiße wegen einem Typen, hast du fünf neue Bekannte um dich herum, welche dich aufheitern und von ihrem Stress erzählen. (Im SLEAZE Büro gab es deswegen ziemlich schnell keinen Jägermeister mehr und ein Trinkverbot vor 17 Uhr.)
Aber zurück zu Tinder. Ich habe es ausprobiert. Ich würde es nicht mehr tun.
Nicht weil ich denke Tinder ist scheiße, sondern weil es nicht das ist was ich will. Ich will meinen Enkelkindern nicht erzählen, dass ich ihren Großvater über eine App kennen gelernt habe. Nicht, dass mein Date als potenzieller Großvater in Frage kommt. Nur so. Ich bleibe da altmodisch. Obwohl altmodisch in unserer Zeit angeheitert im Club bedeutet und somit auch nicht so Enkelkinder-Jugendfrei ist.
Egal.
Egal.
Zu meinem Date. Ich starre mein Handy an. Mehr muss ich wohl nicht sagen.
Liebe Leonie,
ich finde tinder auch furchtbar. zu viel und zu schnell und im Prinzip sucht man immer nur weiter um sich einzureden doch noch positiv überrascht zu werden.
Und wie furchtbar die Auswahl sein kann(!) , was für Menschen sich dabei vorstellen und bloßstellen – und ich hoffe trotzdem ganz ernsthaft, dass sie, die komischen und unvermittelbarsten, dort die person finden, die sie suchen.
Aber hätte ich mich nicht auf tinder begeben und mich der Welle von 1-Sekunde-anschaun-und-weg-Profilen ergeben hätte ich nie die eine Liebe gefunden, die mich immer noch am meisten und jeden Tag neu überrascht.