Es ist noch gar nicht so lange her, da saß ich im trüben kalten Amsterdam und arbeitete für das Magazin, das meinen Kindheitstraum ausmachte. Nach einem Monat Wien fühle ich mich mental bereit, das Ganze Revue passieren zu lassen.
Ich kam nach Amsterdam mit der Erwartung, dass es so gut werden würde wie Berlin. Berlin, eine Stadt, die mich nicht nur als Stadt vollkommen überzeugt hat, sondern auch, wo ich die liebsten Menschen meines Lebens getroffen habe. Ich will keine Sekunde in Berlin missen und ich bin so dankbar, dies als erste Auslandserfahrung gesammelt zu haben. Amsterdam zeigte sich von Anfang an von einer eher harten Seite. Die Wohnungssuche war eine Katastrophe. Ich zog innerhalb der sechs Monate viermal um und fand einfach nichts, das ansatzweise gut war.
Meinen WG- Höhepunkt hatte ich, als ich zu einer verrückten Russin zog. Diese erlaubte mir nicht, die Wand zu berühren und zuckte komplett aus, als ich dies tat. Dem nicht genug durfte kein Möbelstück an der Wand ankommen und im Badezimmer musste jede von uns ihre eigene Badematte haben. Also nach dem duschen hieß es: Badematte wieder zusammen rollen. Duschen war so eine Sache. Da sie Angst vor Überschwemmungen hatte, hat sie den Wasserstrahl so schwach eingestellt, dass meine Haare schneller gewaschen gewesen wären, wenn ich mich in den niederländischen Regen gestellt hätte. Zu guter letzt fand ich aber eine nette WG. Der Nachteil war nur, dass sie im Ghetto war und mit Ghetto meine ich nicht Wiens niedliche Außenbezirke, sondern echte Ghettos.
Aber es war ok, ich wusste nach einiger Zeit, wo man gehen durfte, wo die Grenzen der Gangs waren und dass ich nichts zu befürchten hatte, denn es gibt eine wundervolle Ghetto-Regel: man bestiehlt und verletzt niemanden aus seinem eigenen Ghetto. Fand ich großartig.
Witzigerweise gab es auf meinem Balkon Papageien und der Bewohner im Nachbarhaus schmückte seine Marihuana Pflanzen zu Weihnachten mit Lichterketten. Ich konnte darüber nur mehr schmunzeln und fand es ab da auch nur mehr halb so schlimm.
Schlimm hingegen fand ich, dass zu Silvester um 20.00 Uhr kein öffentliches Verkehrsmittel fährt und ich im Ghetto beinahe festsaß. Ich, felsenfest überzeugt, die Silvesternacht nicht alleine im Ghetto zu verbringen, kam auf die grandiose Idee zu „Fahrradstoppen“, was bei Autos funktioniert muss ja auch bei Fahrrädern gehen. Ein bärtiger Mann nahm mich glücklicherweise mit, machte einen zwischen Stop bei einem Alkoholladen um uns Bier zu kaufen und erzählte mir als ich in der Innenstadt ankam, wie glücklich er nicht sei, dass wir das mit dem Rad geschafft haben, da er komplett auf Koks war. Mir fiel erstmal die Kinnlade runter. Er gab mir noch ein Küsschen auf die Wange und meinte, wenn ich mal ein gratis Tattoo möchte, er tätowiert in einem Shop im Rotlichtviertel. Silvester verbrachte ich dann auf eine Homeparty, wo ich niemanden kannte, aber es war wenigstens lustig.